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In München gibt es etwa 100 Fahrradstraßen. Darunter die Alfons-Goppel-Straße, die sich dadurch auszeichnet, dass sie als Fahrradstraße ungeeignet ist.

Die Alfons-Goppel-Straße liegt im Nordosten der Münchner Altstadt. Zur Fahrradstraße wurde sie im Jahr 2016, als die bisherige Altstadt-Querung durch die Sperrung des Marienplatzes nicht mehr möglich war.

Die Radhauptroute der Altstadtquerung wurde nach Osten verlegt (in der Karte die grüne Route) und verläuft seit dem über das Rosental, den Viktualienmarkt, die Sparkassenstraße (Fahrradstraße), die Falkenturmstraße, die Alfons-Goppel-Straße (Fahrradstraße) und die Hofgartenstraße sowie entsprechend umgekehrt in der Gegenrichtung.

Beschluss vom 11.11.2015: Nord-Süd-Querung der Altstadt für den Radverkehr

Die Fahrradstraße

Was ist eigentlich eine Fahrradstraße? Wie schauen die Voraussetzungen aus? Werfen wir einen Blick in die VwV-StVO:

Als wichtiges Kriterium zur Anordnung einer Fahrradstraße wird dort die „hohe oder zu erwartenden hohen Fahrradverkehrsdichte“ genannt. Radverkehr muss also die vorherrschende Verkehrsart sein. Das nebeneinander Fahren ist grundsätzlich erlaubt, auch wenn es schnellere Verkehrsteilnehmer am Überholen hindert. In der VwV-StVO steht darüber hinaus, dass Kraftfahrzeuge „in Fahrradstraßen nur ausnahmsweise zugelassen“ werden.

Im Leitfaden für die Praxis ist beschrieben, wie Seiten- und Sicherheitsräume zum „ruhenden Verkehr“, also parkenden Fahrzeugen auszusehen haben:

Aus „Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis“

Also: Fahrradstraßen sind für Radfahrende da. Radler müssen den Hauptverkehrsanteil ausmachen, sie müssen ausreichend Platz bekommen, dürfen nicht bedrängt werden. Vorrang für den Radverkehr, Autos nur im Ausnahmefall.

Soweit die Theorie.

Fahrradstraße wird zum Busparkplatz

Wir erinnern uns: Die Alfons-Goppel-Straße wurde im Jahr 2016 zur Fahrradstraße. Ein Jahr später, also im Jahr 2017, gab es in dem Bereich eine weitere Änderung. Bis zu diesem Zeitpunkt fuhren Reisebusse, die Touristen für einen Tagesausflug in der Altstadt absetzten und abholten, bis zum Max-Joseph-Platz westlich der Alfons-Goppel-Straße und hielten dort.

Dies hatte am 15. November 2017 ein Ende:

Die Busse störten vor der dortigen Oper, auf die Touristen dort verzichten wollte aber auch keiner. Um die Attraktivität des Areals am Max-Joseph-Platz zu erhöhen, mussten ab diesem Zeitpunkt die Reisebusse also irgendwo anders hinfahren und parken.

Manche mögen es schon ahnen, welche grandiose Idee den Verantwortlichen einfiel.

Zitat aus der Presse (tz vom 14.11.2017)

Theoretisch ist das Halten in der Alfons-Goppel-Straße nur erlaubt zum Aus- und Einsteigen der Fahrgäste, maximal 20 Minuten pro Bus. Dafür gibt einen Parkstreifen für maximal fünf Reisebusse.

In der Praxis parken die Busse dort einfach überall auf der Fahrbahn, um nicht wo anders einen Parkplatz suchen zu müssen. Jeden Tag geht es da zu wie in einem Taubenschlag.

Die Parkbuchten haben eine unzureichende Breite, sodass Reisebusse immer etwas auf der Fahrbahn der Fahrradstraße parken. Pro Bus steigen dort 50 Fahrgäste direkt auf der Fahrbahn aus und wieder ein.

Die hohe Anzahl an Kraftfahrzeugen führt auch zu einer nennenswerten Anzahl an Geschwindigkeitsüberschreitungen, insbesondere wenn die Straße z. B. von Taxifahrern als Abkürzung verwendet wird.

Der tägliche Wahnsinn

Hier nun ein paar Eindrücke dessen, was im verantwortlichen Referat offensichtlich nicht vollstellbar schien. Ein Reisebusparkplatz in einer Fahrradstraße, das funktioniert nicht? Unvollstellbar!

Bei Gegenverkehr wird aggressiv überholt:

Massive Gefährdung durch ungeduldiges und aggressives Verhalten von Autofahrern. Die für Busse reservierten Parkbuchten sind hier mit Falschparkern dichtgeparkt.

Radfahrer auf Gehweg, weil auf der Fahrradstraße kein Platz für Radfahrer ist:

Anderer Tag, gleiches Bild – auf den Gehweg geflüchtete Radler:

Stau auf der Maximilianstraße führt zum Dauerstau auf dem Fahrradstraßen-Schleichweg:

Engstellen, in denen ein unbedrängtes Radfahren nicht möglich ist:

Massiver Verkehr mit gefährlichen Fahrmanövern, am Ende bleibt den radelnden Erwachsenen und Kindern nur die Flucht auf den Gehweg:

Auch bei der Google Street View-Befahrung im Juni 2022 gelang es nicht, die Alfons-Goppel-Straße ohne Bus- und Auto-Chaos zu zeigen:

Die Bilder und Videos zeigen: Der Busparkplatz in der Fahrradstraße ist eine Vollkatastrophe. Die Fahrradstraße widerspricht nicht nur den einschlägigen Regelwerken sondern gefährdet die Radfahrenden dort Tag für Tag auf dieser Radhauptroute. Und sie führt mittlerweile zur Vermeidung dieser Strecke, insbesondere von Kindern, älteren Menschen und unsicheren Radfahrenden.

Eine Mitschuld an der Situation haben die Ordnungsbehörden, die konsequent wegsehen und das massive Falschparker-Problem vorsätzlich ignorieren.

Bei einer solchen Gefahrenlage muss sofort gehandelt werden – möchte man meinen.

Beschwerden

Auf der Meldeplattform Radverkehr, betrieben vom Mobilitätsreferat (MOR), gibt es bereits eine Reihe an Beschwerden zur Alfons-Goppel-Fahrradstraße.

Informationen, wie du selbst die Welt für Radfahrende in München besser machen kannst, findest du unter Mitmachen.

Hier wird in der Antwort zum Beispiel behauptet, die Situation wäre wegen der Besucherbusse des Nationaltheaters so wie sie ist:

Tatsächlich handelt es sich nahezu ausschließlich um normale Touristenbusse, die dort tagsüber verkehrswidrig halten und parken. Ein Konzept zum Busparken werde erarbeitet und parallel würde an kurzfristigen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation für den Radverkehr gearbeitet. Das war vor einem Jahr.

Auch 2024: Hier werden zusätzlich verkehrsberuhigende Maßnahmen in Aussicht gestellt:

Ab Dezember 2024 wurde noch mit einem unpassenden Standardtext reagiert. Das Thema nervt offensichtlich auch die Plattform-Bearbeiter.

Hier ein identischer Antworttext:

Es gibt eine ganze Reihe mehr Beschwerden zu dieser Fahrradstraße, die unveröffentlicht geblieben sind. Alles in allem nur beschwichtigen, kleinreden und verzögern.

Bereits 2023 wurde zum Beispiel dieser Antrag vom Bezirksausschuss (BA) 1 Altstadt-Lehel einstimmig angenommen:

Antwortschreiben des BA 1

Von der Verwaltung (Mobilitätsreferat) kam dazu bis heute keine Reaktion.

Seit acht Jahren ist dieser unhaltbare Zustand bekannt und eine Verbesserung scheint noch nicht einmal in Aussicht zu sein. Wichtiger bei Politik wie Verwaltung ist, dass das Tourismusugeschäft dort unbeschränkt von Verkehrsregeln durchgeführt werden kann.

Die Lösung

Es gibt zwei regelkonforme Optionen:

  1. Fahrradstraße ohne Busparkplatz
  2. Busparkplatz ohne Fahrradstraße

Die zweite Option ist klar zu bevorzugen, denn die derzeitige Altstadtquerung ist kein brauchbarer Dauerzustand – nicht nur wegen der Alfons-Goppel-Straße. Auch die Sparkassenstraße widerspricht den Mindestvoraussetzungen einer Fahrradstraße. Und die Fahrt durch den Viktualienmarkt entspricht etwa dem Konfliktpotential wie zuvor die Querung des Marienplatzes, nur ist die konfliktträchtige Strecke nun deutlich länger.

Die Lösung für den Fahrrad-Durchgangsverkehr kann nur in einer östlichen Umfahrung entlang des Altstadtrings liegen. Altstadt-Radlring – da war doch was? Richtig!

Vor fünf Jahren beschloss der Stadtrat den Radentscheid-konformen Ausbau des Altstadtrings. Aber genau die Verbindung im Osten zwischen Corneliusstraße und Isartor fehlt, obwohl seit 2019 detaillierte Planungen vorliegen.

Wer sich in der Alfons-Goppel-Straße als Radler nicht sicher fühlt und findet, dass sich am derzeitigen Zustand etwas ändern muss, der kann dem Mobilitätsreferat eine E-Mail schreiben: radverkehr.mor@muenchen.de


Quellen: Google, OSM, TZ, MOR, privat