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Nach der tödlichen Kollision zwischen dem Lkw eines 66-jährigen Fahrers und einer 65-jährigen Radfahrerin wurde vom Oberbürgermeister Reiter persönlich eine Überprüfung des Radweges angeordnet und Sofortmaßnahmen zur Entschärfung angekündigt.

In der Polizeimeldung ist der Unfallablauf beschrieben:

Auch der BR berichtet damals von der tödlichen Kollision:

Die Gefahrenstelle hat eine Vorgeschichte. Bis zum Sommer 2019 gab es an dieser Kreuzung einen von der Fahrbahn getrennten Hochbordradweg, im Bild unterhalb der drei Fahrspuren in östlicher Richtung zu sehen.

Im Jahr 2019 wurde die Kreuzung umgebaut und der Radweg als sogenannter RiM (Radfahrstreifen in Mittellage, umgangssprachlich auch Angstweiche genannt) zwischen zwei Kfz-Fahrspuren verlegt. Rechtsabbiegende Radler haben gar keinen Radweg mehr, sie müssen im Kfz-Verkehr mitradeln.

Zunächst aber noch eine wichtige Information.

Vision Zero

Bereits ein Jahr zuvor, am 25. April 2018, hatte der Münchner Stadtrat „Vision Zero“ als Ziel der Verkehrssicherheitsarbeit in München beschlossen. Das heißt, alle Bau- und Umbaumaßnahmen im Straßenbau müssen mit dem Ziel von null Verkehrstoten vereinbar sein. Die Verkehrsleitung und -lenkung muss also fehlerverzeihend sein, Laster und Autos müssen z. B. getrennt vom Fuß- und Radverkehr geführt werden.

Vision Zero steht übrigens auch als erster Absatz in der bundesweit gültigen VwV-StVO, die auch für die Münchner Verwaltung bei verkehrlichen Anordnungen verpflichtend anzuwenden ist.

Aber wieso sind RiM so gefährlich? Um das zu verstehen ein paar Details.

Radweg in Mittellage

Grundsätzlich werden Radwege rechts vom Kfz-Verkehr geführt, so auch an der Kreillerstraße. Nun müssen Kfz beim Rechtsabbiegen irgendwann den Weg der geradeausfahrenden Radler kreuzen. Normalerweise passiert das beim Abbiegevorgang selbst. Dort dürfen Lkw maximal mit Schrittgeschwindigkeit (5 bis 7 km/h) fahren. Das tun die Fahrer zwar in den seltensten Fällen, aber dennoch müssen sie deutlich abbremsen, um 90° nach rechts weiter zu fahren.

Beim RiM wird dieser Vorgang des Kreuzens der Wege auf eine gerade Strecke vorverlegt: das Kreuzen passiert auf dem RiM. Dort kann eine viel höhere Geschwindigkeit gefahren werden, eine feste Geschwindigkeitsobergrenze existiert hierbei für Lkw-Fahrer nicht. Durch eine hohe Fahrgeschwindigkeit fehlt die Zeit, um in alle sechs Lkw-Spiegel ausreichend lange zu schauen und ggf. reagieren zu können.

Dies ist auch die weit verbreitete Einschätzung der Fachleute:

Wieso also der offensichtliche Rückschritt? Ganz einfach.

Kfz-Durchsatzmaximierung

Aus drei Kfz-Fahrspuren wurden vier, damit noch mehr Autos und Lkw möglichst ungebremst und ohne Verzögerung über die Kreuzung fahren können. Die Bekenntnis zu „Vision Zero“ wurde zwar kurz zuvor extra durch einen Beschluss bekräftigt, aber dann das Gegenteil gebaut. Der Kfz-Durchsatz wurde maximiert, die Sicherheit für Radler minimiert.

Oberbürgermeister Dieter Reiter versprach direkt nach dem tödlichen Crash eine schnelle Aufarbeitung. Er beauftragte das Mobilitätsreferat (MOR), die Radwegsicherheit dort zu überprüfen. Falls sich der RiM als gefährlich herausstellt, sollten Sofortmaßnahmen umgesetzt werden.

Seitdem passierte dort aber bis heute – nach einem Jahr: nichts!

Keine Sofortmaßnahmen, keine Plaung eines Umbaus, nichts was öffentlich bekannt wurde. Das ist eine Schande und muss für die Angehörigen und Freunde der Getöteten wie Hohn klingen.

Neben der tatsächlichen Gefährdung wirkt sich auch die gefühlte Bedrohung von rechts wie links überholenden Lkw und Autos negativ auf die Radmobilität aus. Es führt einfach zu einer Vermeidung solcher Stellen durch Radler. Es ist schlicht keine Infrastruktur für Menschen von 8 bis 80 Jahren.

Die Lösung

Die Lösung könnte so aussehen (Simulation):

Vier Fahrspuren wieder auf drei reduzieren und den gewonnenen Platz für einen geschützten, REM-konformen Radweg verwenden. Darüber hinaus potentielle Kreuzungs- und Konfliktstellen rot markieren. Sowie auch die Ampelschaltung so anpassen, dass gleichzeitiges Grün für Rad und rechtsabbiegende Kfz ausgeschlossen ist.

Das wäre dem Beschluss zu „Vision Zero“ angemessen.


Quellen: Google, Polizei, BR, Changing Cities